Thesen zur Arbeit

Basis, Steuerung und kooperierende Zustandsgraphen

Der Fakultät für Elektrotechnik/Elektronik
des Wissenschaftlichen Rates der Technischen Universität Dresden
zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor eines Wissenschaftszweiges (Dr.-Ing.)


vorgelegte Dissertation
von Dipl.-Ing. Doetzkies, Uwe

Dresden, Februar 1990


1. Allgemeine Charakteristik der Arbeit

Die Industrie der Welt ist auf dem Weg zu CIM, der durchgängig automatisierten Produktion. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Flexiblen Fertigungssysteme (FMS). Diese werden derzeit in der Regel durch vorausschauende Simulation gesteuert. Das hat aber den Nachteil, auf Störungen in der Fertigung nicht schnell genug reagieren zu können. Die daraus erwachsenden Schwierigkeiten können mit solchen Steuerungskonzepten nicht schnell genug kompensiert werden.

Die CAMARS-Technologie des Steuerungsentwurfs geht vom aktuellen Zustand des gesteuerten Prozesses aus. Sie ist unabhängig von vorgelagerten oder übergeordneten Planungsprozessen, kann aber deren Ergebnisse berücksichtigen.

Grundlage des Steuerungsentwurfes ist die Analyse der zu steuernden Basisprozesse. Die Basisanalyse mit den drei Komponenten Basisprozeß-, Basissystem- und Basisoperandenanalyse führt zu einer hierarchischen Beschreibung der Basis. Es wird gezeigt, woraus diese Teile der Basisanalyse bestehen und wie sie zusammenwirken.

Aus dem Ergebnis der Basisanalyse wird die Steuerungsprozeßstruktur abgeleitet. Dazu wird jedem Basisprozeß eindeutig ein Steuerungsprozeß zugeordnet, der für die Durchführung des Basisprozesses verantwortlich ist. In der Arbeit wird erstmals gezeigt, wie die hierarchische Struktur der Basis die Struktur des Steuerung bestimmt.

Die Aufgaben eines Steuerungsprozesses hängen von den zu steuernden Prozessen ab. Es muß eine erneute Basisanalyse bezüglich dieses Steuerungsprozesses durchgeführt werden, mit dem Ziel, seine Entitäten zu bestimmen. Entitäten sind informationelle Operanden der Steuerung, denen eineindeutig Elemente der gesteuerten Basis zugeordnet sind. Die Gesamtheit der Entitäten eines Steuerungsprozesses stellt dessen Modell von seiner Basis dar.

Die Prozesse, die an Entitäten ausgeführt werden, können mit Zustandsgraphen beschrieben werden. Damit kann ein Steuerungsprozeß als ein System miteinander kooperierender Zustandsgraphen betrachtet werden.

Die Beschreibung der Transitionsregel in Zustandsgraphen legt den Gedanken nahe, alle Transitionen durch ein spezielles Software-Werkzeug, den Zustandsgrapheninterpreter, ausführen zu lassen. Mit Hilfe dieses Werkzeugs ist eine einfache und überschaubare Implementation des Steuerungsentwurf möglich.

Nach einer Darstellung des Zustandsgrapheninterpreterkonzepts wird die Vorgehensweise beim CAMARS-Steuerungsentwurf beschrieben. Zur Illustration dieser wird der Entwurf einer Steuerung für ein FMS genutzt. Dieses Beispiel basiert auf den Steuerungssystemen für die Flexiblen Fertigungssysteme FMS 2200 und FMS 2500, die mit dem dargestellten Verfahren entworfen und implementiert wurden. Dabei beschränkt sich das Beispiel nur auf die zum Verständnis der Methode geeigneten Sachverhalte, stellt also keine vollständige Beschreibung der Steuerungssysteme der genannten FMS dar.

2. Thesen zum Inhalt der Arbeit

  1. CIM bedeutet: computergestützte Planung und Leitung von Unternehmen von der Marktanalyse über Entwurf, Produktion, Marktvorbereitung bis zum Absatz der Erzeugnisse. CIM ist mehr als die bloße Vereinigung von CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing). CIM ist die integrale Verbindung von Produktion und Management unter Nutzung moderner Hard- und Software.
  2. Die Modellbildung auf Grundlage der CAMARS-Technologie kann sowohl für Steuerungs- als auch für Simulationszwecke genutzt werden. Sie basiert auf einer detaillierten Analyse der zu steuernden Prozesse und führt zu hierarchischen Strukturen in Basis und Steuerung. Das Wesen einer Steuerungshierarchie liegt in der Hierarchie der gesteuerten Basis begründet.
  3. Jede Operation ist die zielgerichtete Einwirkung von Operatoren auf Operanden stofflicher, energetischer oder informationeller Art, die zu einer definierten Zustandsänderung der Operanden führt. Die Gesamtheit aller möglichen Operationen an einem Operanden kann durch Zustandsgraphen angegeben werden. Ein Prozeß ist eine Struktur auf Operationen. Seine Natur ist die einer komplexen Operation. Strukturen auf Prozessen können wieder wie Prozesse hantiert werden.
  4. In Zustandsgraphen für Operanden wird die Transitionsregel in der Form "Befindet sich ein Operand im Zustand z1 und sind die mit x beschriebenen Bedingungen erfüllt, so geht der Operand durch Ausführung der Operation y in den Zustand z2 über." interpretiert. Diese Beschreibung impliziert die Idee, die Ausführung einer Transition durch ein spezielles Software-Werkzeug, den Zustandsgrapheninterpreter, zu realisieren.
  5. Der Zustandsgrapheninterpreter SIRIUS 2.2 stellt die rechentechnische Realisierung des Prozesses der Ausführung einer Transition in einem Zustandsgraphen eines informationellen Operanden dar. Informationeller Operand und Zustandsgraph sind die Operanden des Zustandsgrapheninterpreters. Die Menge der informationellen Operanden ist dynamisch. Die Anzahl der gleichzeitig existenten informationellen Operanden kann beliebig groß sein und ist nur von den Hauptspeicher- bzw. Plattenkapazitäten des verwendeten Rechners abhängig. Die Menge der Zustandsgraphen ist für ein gegebenes Programmsystem statisch und wird durch das Aufbereitungsprogramm bestimmt. Die Anzahl der Zustandsgraphen entspricht der Anzahl der unterschiedlichen Prozesse. Sie kann ebenfalls beliebig hoch sein.
  6. Prozeßsteuerung ist die Steuerung eines Prozesses an stofflichen, energetischen und/oder informationellen Operanden durch einen informationsverarbeitenden Prozeß.
  7.                    _________________________
      informationelle |                         | informationelle
      --------------->|    Steuerungsprozeß     |---------------->
      Operanden       |_________________________| Operanden
                           |             ^
                           |  inf. Opd.  |
                           V             |                            
                       _________________________
      stoffl.,energ.  |                         | stoffl.,energ.
      ===============>|       Basisprozeß       |================>
      u/o inf. Opd.   |_________________________| u/o inf. Opd.
    
    
    Fundamentalrelation zwischen Basis- und Steuerungsprozeß
    
    
    
    
  8. Jeder Steuerungsprozeß ist für die Ausführung einer Menge von Basisprozessen verantwortlich. Diese Menge ist nicht konstant, sie unterliegt zeitlichen Veränderungen. Der Steuerungsprozeß muß stets ein hinreichend genaues Modell der Basis führen. Ein derartiges Modell muß alle für einen konkreten Steuerungsprozeß wesentlichen Basiselemente enthalten. Die in diesem Modell enthaltenen Basiselemente heißen Entitäten der Steuerung. Entitäten sind Operanden eines Steuerungsprozesses, denen eineindeutig Elemente der zugehörigen Basis zugeordnet sind.
  9. Mit der Erarbeitung eines Modells der Basis befaßt sich die Basisanalyse, deren wichtigstes Ergebnis eine Hierarchie von Basisprozeßstrukturen ist. Sie besteht aus drei Teilen. Die zentrale Stellung nimmt dabei die Basisprozeßanalyse ein. Die anderen Komponenten sind Basissystem- und Basisoperandenanalyse. Die Basisanalyse ist sowohl ein iterativer als auch ein rekursiver Prozeß.
  10. Das Ziel der Basisprozeßanalyse ist die Erarbeitung der Struktur des Basisprozesses. Die Basisprozeßanalyse umfaßt:
  11. Die Basisoperandenanalyse wird durchgeführt, um die Beziehungen der Operanden der Basis, die im Gegensatz zu den Steuerungsoperanden stofflicher, energetischer und/oder informationeller Natur sein können, untereinander zu erkennen. Sie muß folgende Aufgaben lösen:
  12. Ziel der Basissystemanalyse ist die Erarbeitung der Basissystemstruktur. Dabei sind folgende Aufgaben zu lösen:
  13. Das Ergebnis der Basisanalyse besteht aus einer Hierarchie von Prozeß-, System- und Operandenstrukturen. Die Hierarchieebenen ergeben sich aus der rekursiven Anwendung der Prinzipien der Basisanalyse. Dabei entsteht zwangsläufig eine hierarchische Prozeßstruktur, während System- und Operandenstrukturen nicht unbedingt auf jeder Ebene angegeben sein müssen.
  14. Auf der Grundlage der Fundamentalrelation kann jedem Basisprozeß eindeutig ein Steuerungsprozeß zugeordnet werden. Dieser ist für die Ausführung des Basisprozesses verantwortlich. Es entsteht eine Steuerungshierarchie, die nicht unbedingt den "klassischen" Formen von Koordinationssteuerungen entsprechen muß.
  15. Damit die Prozesse der Steuerung entsprechend ihren Aufgaben zusammenarbeiten können, muß ein Kommunikationsmedium vorhanden sein. Alle Prozesse, die miteinander verbunden sind, müssen Zugriff zu diesem Medium besitzen. Der Inhalt der Kommunikation wird durch Anwender- (A-) Protokolle festgelegt.
  16. Ein Steuerungsprozeß kann hinreichend durch seine Entitätsstruktur und die Zustandsgraphen seiner Entitäten beschrieben werden. Eine Entität ist ein Operand der Steuerung, dem eineindeutig ein Basiselement zugeordnet ist. Entitäten sind ihrem Wesen nach Operanden. Durch die eindeutige Zuordnung von Zustandsgraphen zu ihnen repräsentieren sie gleichzeitig die an ihnen auszuführenden Steuerungsprozesse.
  17. Durch die Gesamtheit der Entitäten wird das Modell der Basis in der Steuerung beschrieben. Dazu gehören neben den aktuellen Zuständen der Basiselemente auch deren gegenseitige Beziehungen, die durch die Basisanalyse gewonnen wurden. Auf der Grundlage dieses Modells kann der Steuerungsprozeß den ihm zugeordneten Basisprozeß steuern.
  18. Die Beziehungen zwischen den Elementen der Basis widerspiegeln sich in Wechselwirkungen zwischen Entitäten derart, daß Transitionen einer Entität Transitionen bei einer anderen Entität auslösen können. Es existiert eine Entitätsstruktur, die ihrem Wesen nach eine operandenbewertete Prozeßstruktur, in der die Operanden Nachrichten sind, ist.
  19. Jedes Basiselement kann eine Entität der Steuerung werden. Es ist aber nicht notwendig, daß jedes Basiselement zur Entität wird. Die Steuerung einer universellen Basis enthält keine Entitäten.
  20. Die an den Entitäten auszuführenden Prozesse können durch Zustandsgraphen beschrieben werden, die folgende Anforderungen erfüllen müssen:
  21. Der Entwurf der Zustandsgraphen muß für jedes Zustandsmerkmal mit kleinem Zustandsraum erfolgen. Im funktional-logischen Entwurf der Zustandsgraphen müssen die in der Entitätsstruktur angegebenen Beziehungen zum Ausdruck kommen. Sachverhalte, die schon durch die Basisanalyse beschrieben wurden, dürfen nur in die Zustandsgraphen aufgenommen werden, wenn sie ausreichend allgemein sind.
  22. Der funktional-logische Entwurf der Zustandsgraphen enthält keine implementationsspezifischen Elemente, auch nicht solche, die vom später verwendeten Interpreter (z.B. SIRIUS 2.2) abhängen. Die Datenstrukturen stellen hier noch Zuordnungen von Informationen oder Entitäten zu den Prozessen oder Entitäten dar.
  23. Der Implementationsentwurf stellt die Überführung des funktional-logischen Entwurfs in eine Form, an die sich die Implementierung unmittelbar anschließen kann, dar. Er ist äußerlich dadurch gekennzeichnet, daß Mittel und Darstellungsarten von funktional-logischem Entwurf und programmierungstechnischer Realisierung gemischt auftreten. So entworfene Softwaresysteme können mit Hilfe eines Zustandsgrapheninterpreters implementiert werden.
  24. In der Erkenntnis der Entitäten, ihrer Beschreibung mit Zustandsgraphen und der Nutzung dieser für die Implementation von Steuerungen besteht das Wesen der CAMARS-Technologie. Die Steuerungssysteme des FMS 2200 und des FMS 2500 sind mit dieser Technologie entstanden. Ihre Funktionstüchtigkeit ist in der Praxis nachgewiesen. Der wesentliche Vorteil dieser Lösungen besteht darin, die Steuerbarkeit des Basisprozesses in jeder Situation zu sichern.


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